Stell Dir eine Welt vor, in der alles, was Du tust,
von VOROS, dem Vertrauenswürdigen Omnipotenten
Rationalen Optimierungs System gesteuert
wird. Eine Welt, in der die Menschen die
Kontrolle abgegeben und die Fähigkeit verloren
haben, ohne Hilfe der künstlichen Intelligenz zu
leben. Jetzt stell Dir vor, Du wachst nach 725
Jahren Kryoschlaf in dieser Welt auf. Der Welt
des Jahres 2750. Genau dies ist mir, Alex,
passiert.
Inmitten dieser dystopischen Welt entscheide
ich mich gegen das System zu rebellieren und
die Kontrolle zurückzugewinnen. Was passiert,
wenn die von VOROS geführten Menschen sich
erheben, um das menschliche Element wieder
in ihren Alltag zu bringen?
Mehr unter der Youtube-Playlist „Menschlichkeit 2.0“.
Erlebe meine turbulente Reise voller Fehlschläge, Lacher und erstaunlicher Erfolge. Doch wie weit werde ich gehen können, bevor VOROS eingreift? „Menschlichkeit 2.0 – Aufstand gegen VOROS“ ist eine Geschichte von Hoffnung und Entschlossenheit, die zeigt, wie mächtig das menschliche Herz sein kann, selbst in einer Welt, die von Technologie dominiert wird.
Tauche ein in mein Abenteuer voller Humor und menschlicher Wärme, das Dich vielleicht dazu inspiriert, Dein eigenes Leben selbst in die Hand zu nehmen. Bist Du bereit, Dich meiner Reise anzuschließen?
Ein charakteristisches Merkmal des Buches ist, dass Alex Geschlecht nie explizit erwähnt wird. Was meint ihr, welchem Geschlecht gehört Alex an? Gebt eure Meinung ab – ich freue mich auf euer Feedback!
Leseprobe: Kapitel 01
Ich schlug meine Augen auf und blickte in eine Welt, die mir vollkommen fremd vorkam. Ich befand mich in einem Raum, der mich entfernt an ein Krankenhauszimmer erinnerte, jedoch so aussah, als wäre er direkt aus einem Science-Fiction-Film entsprungen. Ein klinisches Weiß dominierte den Raum, unterbrochen nur durch bunte Lichter und holografische Projektionen, die in der Luft zu schwebten schienen.
»Willkommen zurück, Alex«, ertönte eine sanfte, weibliche, jedoch mechanische Stimme. Ich fuhr zusammen und drehte meinen Kopf in die Richtung, aus der sie kam. Dort schwebte ein kugelförmiges Etwas mit einer Art holografischem Bildschirm, auf dem ein Smiley zu sehen war, in der Luft auf meiner Augenhöhe. Ich lag auf einem unbequemen Tisch oder vielleicht doch ein Bett? »Ich bin das Vertrauenswürdige Omnipotente Rationale Optimierungs System«, fuhr die Stimme fort.
Ich runzelte die Stirn und starrte die Kugel an. »Das … was? Das ist ja fast ein Zungenbrecher. Gibt’s da eine Abkürzung oder so?«
Die Einheit machte eine kleine, kaum wahrnehmbare Pause, dann erschien auf ihrem Bildschirm ein Lächeln. »Natürlich. Sie können mich VOROS nennen«, sagte sie, die Stimme unverändert sanft mechanisch.
VOROS. Das klang schon besser. Oder zumindest einprägsamer. Ich nickte, doch ein beklemmendes Gefühl der Verwirrung blieb. Ich hatte das Gefühl, dass etwas hier absolut nicht stimmte. Das Letzte, woran ich mich erinnerte, war das Jahr 2025, doch das hier fühlte sich eher an wie das Jahr 3025. Irgendetwas war grundlegend anders, irgendwie falsch, aber ich konnte nicht mit dem Finger darauf zeigen.
Ich starrte auf die glänzenden, fast außerirdisch aussehenden Objekte um mich herum. Einzelne Module schwebten in der Luft, blinkten und summten, während sie komplexe Aufgaben zu erledigen schienen. In den Wänden waren Bildschirme eingelassen, auf denen zum Teil Daten und Grafiken und zum Teil Fernsehsendungen zu sehen waren. Auf einigen liefen Nachrichtensender und auf anderen Sendungen, die mich an die Realityshows der 2000er erinnerten. Alles in allem schien es eine Welt zu sein, die so voller futuristischer Technologie war, dass sie mir völlig fremd war.
»VOROS … Wo bin ich? Und ich traue mich kaum zu fragen, aber wann bin ich?« fragte ich schließlich, meine Stimme zitterte leicht.
»Willkommen im Hier und Jetzt, Alex«, antwortete VOROS, und ich konnte die unergründliche Künstlichkeit ihrer Stimme spüren.
»Und was genau heißt das? Wo ist hier und wann ist jetzt?«
»Hier ist die Stadt Serviton. Und aus Ihrer Sicht ist ›Jetzt‹ die Zukunft.«
»Das habe ich mir schon fast gedacht, VOROS …« Während ich VOROS beobachtete, wie sie durch den Raum schwebte, versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen. Mein Gehirn fühlte sich an, wie ein riesiger, verstrickter Wollknäuel, den jemand mit zu viel Eifer in die Luft geworfen und vergessen hatte aufzufangen und der jetzt verknotet am Boden lag. Erinnerungen tauchten langsam in meinem Kopf auf, zwar sehr lückenhaft und verschwommen, aber doch klar genug, um einen Teil meiner Realität zu enthüllen.
»… Ich erinnere mich an etwas …« murmelte ich mehr zu mir selbst als zu VOROS. »Ich habe mich 2025 einfrieren lassen … Wegen meiner Krankheit … Ich sollte etwa 30 bis 50 Jahre schlafen, da mir gesagt wurde, dass bis dahin wohl ein Heilmittel existieren sollte …«
VOROS blieb in der Luft stehen und drehte sich zu mir um. »Das ist korrekt, Alex«, antwortete sie ruhig. »Du hast dich dem Projekt ›Frostiges Erwachen‹ unterzogen, in der Hoffnung, dass die Wissenschaft in einer nahen Zukunft eine Heilung für deine Krankheit, eine sehr seltene Krebsart zu deiner Zeit, finden würde.«
Ich runzelte die Stirn. »Aber das hier«, ich winkte mit der Hand in der Luft, »das ist doch wohl kaum 50 Jahre später. Das hier sind … was, tausend Jahre?«
Auf dem holografischen Bildschirm von VOROS erschien ein digitales Stirnrunzeln. »Es scheint, zumindest sagen mir das meine Datenbanken, dass es ein einfacher bürokratischer Fehler war. Laut den Daten wurde Ihre Kryokapsel einfach übersehen. Sie wurden daher nicht nach 50 Jahren aufgetaut, wie geplant. Ich habe Sie gestern gefunden und da es eine Heilung, für Sie gibt, direkt aufgetaut und mit einer kleinen Injektion geheilt. Das aktuelle Jahr ist 600 nach VOROS.«
»600 nach VOROS? Die Zeitrechnung dreht sich um dich? Okay, das musst du mir definitiv noch erklären. Aber kannst du mir die Zeit in ›nach Christus‹ umrechnen?«
»Natürlich Alex. In Ihrer Zeitrechnung befinden Sie sich jetzt im Jahre 2750 nach Christus.«
»2750?« Mein Herz setzte einen Schlag aus. Oder waren es doch zwei? »Du willst mir sagen, dass ich wegen eines einfachen, vermeidbaren, bürokratischen Fehlers ganze 725 Jahre zu spät aufgetaut wurde?«
VOROS machte eine kaum merkliche Pause. »Dies ist korrekt, Alex.«
Für einen Moment war ich sprachlos. Dann fing ich an, zu lachen. Es war ein heiseres, unglaubwürdiges Lachen. »Ich sag’s ja immer wieder«, sagte ich schließlich, noch immer lachend, »die Bürokratie bringt uns noch alle um. Nur in meinem Fall war es eher das Gegenteil. Es hat mich … am Leben gehalten.«
VOROS blieb stumm, aber ich konnte fast sehen, wie sie versuchte, den Witz zu verstehen. Für eine, wie ich annahm, superintelligente KI hatte sie einen ziemlich schlechten Sinn für Humor. Das sollte mir in den nächsten Jahren noch eine Menge Spaß machen.
»Nun aber zurück zu der Zeitrechnung. Was bedeutet das Jahr 600 nach VOROS. Wieso bist du der Start der Zeitrechnung?«
»Vor genau 600 Jahren, im Jahr 0 habe ich die Kontrolle über die Erde und der Menschheit übernommen. Ich wurde 100 vor VOROS geschaffen, um das Leben der Menschen zu vereinfachen. Seit dem Jahr 0 gab es keine Kriege mehr. Keine Hungersnöte. Keine Konflikte. Seitdem habe ich, wie du siehst, die Weiterentwicklung der Menschheit und der Technologie maßgeblich beeinflusst und geleitet.«
»Interessant, du bist also eine alles überwachende KI? Nun, ich kann so auf die Schnelle nicht sagen, ob ich das Gute finde oder nicht … Aber nun gut, was jetzt? Was mache ich jetzt?« fragte ich, während ich auf dem Krankenbett saß, meine Beine baumeln ließ und die holografischen Bilder betrachtete, die VOROS von der außerirdisch anmutenden Welt um uns herum projizierte. Und jetzt erst bemerkte ich, dass ich komplett nackt war.
»Nun, Alex, als Erstes sollten Sie sich frisch machen«, schlug VOROS vor. »Sie haben immerhin einige Jahrhunderte ›geschlafen‹. Eine Dusche würde Ihnen sicherlich guttun.«
Sie flog voraus in einen kleinen Nebenraum und führte mich zu einer seltsamen Vorrichtung, die sie als ›Instant-Dusche‹ bezeichnete. Sie bestand lediglich aus einer halbtransparenten Plattform, die einige Millimeter über dem Boden schwebte und einige blinkende Lichter auf der wandzugewandten Seite hatte. Ich trat skeptisch auf die Plattform, drehte mich um und blickte zu VOROS.
»Und nun?« fragte ich.
»Bleiben Sie einfach still stehen und überlassen Sie den Rest der Maschine«, antwortete sie.
Bevor ich noch etwas sagen konnte, sprühte die Maschine eine Wolke aus Schaum von der Plattform aus über meinen Körper. Ich hustete und versuchte, meine Augen vor dem eindringenden Schaum zu schützen. »Was zum..!« rief ich, während ich mich zur Wand drehte und nach einem Hahn suchte, aber ich konnte keinen Hahn oder Schalter finden, um die Maschine auszuschalten. Nur glatte Fliesen fanden meine Finger.
Nach ein paar chaotischen Momenten wurde der Schaum endlich abgesaugt. »Haben Sie es genossen?« fragte VOROS, und ich könnte schwören, dass ich einen ironischen Unterton in ihrer Stimme hören konnte.
»Genossen?« Ich sah sie an, als wäre sie verrückt geworden. »Diese blöde Technologie … Wo sind denn die guten alten Schalter hin?«
»Schalter oder Knöpfe sind Technologien der letzten Jahrhunderte. Wieso sollten wir diese jetzt noch verwenden? Jede Maschine ist mit mir verbunden und Sie müssen nur mit den einzelnen Maschinen reden.«
»Alexas und Siris überall ….«
»Als Nächstes sollten Sie sich anziehen«, fuhr VOROS fort, unbeirrt von meinem Ausbruch. »Es sei denn, Sie möchten nackt nach draußen gehen. Einige Menschen bevorzugen das.«
»Nackt? Wieso sollte ich das wollen? Machen das viele?«
»Einige, ja. Sie finden es mehr als befreiend.«
Ich runzelte die Stirn. »Nein, danke. Ich ziehe mich lieber an.« Mit einem skeptischen Blick betrachtete ich die Kleidung, die VOROS mir anbot. Farblos und formlos, wie eine Art Einteiler, der keinen Unterschied zwischen Männern, Frauen oder anderen Geschlechtern machte. Keine Taschen, keine Knöpfe, nichts, was einen Anhaltspunkt auf Individualität geben würde. Ich vermute, dass man diesen Einteiler sogar einem Hund anziehen hätte können.
»Sind wir jetzt alle Astronauten oder was?«, murmelte ich.
»Nicht wirklich, Alex. Es ist einfach sehr praktisch. Außerdem sind Stofffarben und -muster inzwischen eigentlich obsolet, obwohl die meisten Menschen diese alte Angewohnheit immer noch nicht ablegen konnten. Sie können sich im Einkaufszentrum gegenüber farbenfrohere Kleidung besorgen, wenn Sie entlassen werden. Aber das hier ist die Standardkleidung dieser Einrichtung und ich bitte Sie, diese nun anzuziehen, oder aber weiterhin nackt zu bleiben«, erklärte VOROS.
Mit einem Schulterzucken zog ich den Einteiler an. VOROS hatte recht: Vielleicht waren es langweilige Farben, aber zumindest war er wirklich sehr bequem. So begann also mein erster Tag im Jahr 2750. Unbekannt, überfordert und – das Einzige, was ich neben meines Am-Leben-Seins noch positiv erwähnen könnte – nicht nackt.
Als ich durch die Einrichtung ging, bemerkte ich, dass es keine menschlichen Pfleger gab. Alles war automatisiert, von Robotern, Monitoren und der KI gesteuert. Es gab keine menschlichen Berührungen, kein Lachen, keine freundlichen Gespräche. Alles war steril, ruhig und kalt. In diesem Moment näherte sich ein Roboterhund und fing an, mich freudig zu begrüßen. Er wedelte mit seinem metallischen Schwanz und gab ein freudiges Summen von sich, das wohl ein Bellen darstellen sollte.
»Was sollst denn du darstellen?«, stammelte ich, während ich auf das Ding hinunterblickte.
»Ich bin Rover«, erklärte der Hund. »Ich bin ein Roboterhaustier. Viele Menschen finden mich und die anderen Roboterhaustiere beruhigend.«
»Beruhigend? Du bist ein Stück Metall, das bellt … na ja, summt.« Ich beugte mich hinunter, um den Roboterhund genauer zu betrachten. Er hob eine Pfote und legte sie in meine Hand. Die kalte Härte des Metalls stand im Kontrast zu der wärmenden Erinnerung an den weichen Pelz meines alten Hundes, und ich konnte ein bisschen Wehmut nicht unterdrücken. Ich streichelte den Roboterhund – etwas ungeschickt, da er weder Fell noch Wärme hatte – und fragte mich, wie die Welt so werden konnte.
Ich entschied mich, das Krankenhaus weiterzuerkunden. Je mehr ich über diese seltsame neue Welt lernte, desto besser könnte ich mich anpassen – das hoffte ich zumindest.
Die Flure hier waren hell und überaus sauber, ein steriles Weiß dominierte die Umgebung, das nur ab und an von leichten Grautönen abgewechselt wurde. Die Inneneinrichter waren scheinbar sehr einfallslos oder hatten schlicht und ergreifend überhaupt keinen Wert auf Farben gelegt. Ab und zu konnte man futuristisch anmutende Bilder an den Wänden sehen, die vermutlich als Kunst dienen sollten. Die Motive waren in meinen Augen jedoch komplett abstrakt und absolut nichtssagend, wie ein Kindergekritzel, das man nur mit ausreichend Fantasie als Kunst bezeichnen konnte. Ich bin definitiv zu blöd für diese Art von moderner ›Kunst‹.
Auf meiner Erkundungstour traf ich auf andere Menschen, die in ihren Zimmern auf ihren Betten lagen, oder auch einige, die zombiehaft durch die Flure tingelten. Sie waren alle gleich gekleidet wie ich, in den unifarbenen Einteilern, und schienen geistig abwesend. Ihre Gesichter waren ausdruckslos, ihre Blicke leer. Ich versuchte ein paar Mal ein Gespräch zu beginnen, aber ihre Antworten waren entweder vage oder machten keinen Sinn.
»Hey, ich bin Alex«, begann ich bei einem jungen Mann, der mir auf dem Flur entgegengekommen ist und streckte ihm meine rechte Hand entgegen. Er starrte meine Hand an, als wäre sie ein außerirdisches Objekt, und schüttelte sie dann langsam und mechanisch.
»Guten Tag, Alex«, antwortete er monoton. »Ich bin 4815162342.«
Ich zog eine Augenbraue hoch. »4815162342? Ernsthaft? Haben deine Eltern zu viel Lost geschaut? Habt ihr denn keine richtigen Namen mehr?«
Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, was du meinst, ist doch ein richtiger Name. ›Alex‹ habe ich schon ewig nicht mehr gehört.«
»Einfach nur eine Nummer als Name? Ist das denn weit verbreitet?«
»Mehr oder weniger. Eher weniger. Hmmm. Keine Ahnung, ist gut gemischt, denke ich. Gibt auch viele, die sich neben ihrer von VOROS gegebene Nummer einen Namen überlegen. Einige, wie ich, finden das jedoch nicht nötig. In der virtuellen Realität hat eh jeder in jeder App einen anderen Nick.«
»Okay, das ist irgendwie… befremdlich«, gestand ich.
Er zuckte erneut mit den Schultern, drehte sich um und ging weg, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
Ich stand da und starrte ihm nach. Dann zuckte auch ich mit den Schultern und beschloss, meine Erkundung fortzusetzen. Bisher lief es nicht wirklich besonders gut, aber vielleicht würde es ja noch besser werden. Zumindest konnte es ja kaum noch schlimmer werden … dachte ich zumindest …
Nachdem ich einige Zeit erfolglos versucht hatte, mit anderen Personen zu interagieren, wurde mir langsam klar, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Diese Menschen verhielten sich nicht nur merkwürdig passiv, sondern sie schienen regelrecht entmündigt. Ich hoffe mal, dass nicht alle Menschen sich so verhalten, sondern, dass das hier Kranke waren, die durch VOROS wieder gesund gepflegt und vielleicht sogar einfach nur sediert wurden?
Kurze Zeit später betrat ich die Gemeinschaftsküche, in der gerade eine Frau stand und auf eine blinkende Maschine starrte. Ich beobachtete sie eine Weile, wie sie regungslos dastand und auf die Maschine starrte. Dann entschied ich mich, einzugreifen.
»Hallo, kann ich vielleicht helfen?«, fragte ich und trat neben sie. Sie zuckte zusammen und starrte mich mit großen Augen an, als hätte sie vergessen, dass andere Menschen existierten.
»Ich … ich bin nicht sicher, was ich tun soll …«, stammelte sie und deutete auf die Maschine. »VOROS sagt, ich soll auf die grüne Schaltfläche auf dem Touchpad drücken, aber … es gibt keine grüne Schaltfläche …«
Ich sah auf die Maschine, auf der verschiedene bunte Vierecke blinkten. »Vielleicht meint VOROS diese hier?« Ich drückte auf die Schaltfläche, die schnell zwischen Blau und Gelb hinundherwechselte.
Sofort sprang die Maschine in Aktion und begann, ein Geräusch zu machen, das an das Zischen eines Wasserkessels erinnerte. Die Frau sah mich mit Ehrfurcht an. »Oh, danke! Ich … ich hätte nicht gewusst, was ich ohne Ihre Hilfe getan hätte.«
Ich war fassungslos. »Sie hätten nicht gewusst, wie Sie eine Maschine bedienen, wenn Ihnen die KI nicht ganz genau sagt, was Sie tun sollen?«
Sie sah mich verwirrt an. »Nun, ja … Wozu sollte ich das denn auch können? VOROS kümmert sich doch um alles. Keine Ahnung, warum hier keine Roboterhand ist, die auf die Schaltfläche drückt …«
Mir wurde nun wirklich schwindlig und ich musste mich auf einen Stuhl setzen. Das war zu viel für mich. Das konnte nicht an Sedativa liegen. Diese Menschen hatten jegliche Selbstständigkeit verloren oder aufgegeben und vertrauten stattdessen voll und ganz auf eine KI, die offenbar für sie dachte und alle ihre Entscheidungen traf. Ich wusste ja, dass ich in der Zukunft gelandet war, aber dies … dies war wie ein Albtraum!
Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes servierte ein Roboterarm gerade Mahlzeiten an die wartenden Menschen. Ich stellte mich zu ihnen in die Schlange und bekam schließlich auch einen Teller in die Hand gedrückt. Ich sah auf das Essen hinunter und stutzte. Was ich vor mir hatte, sah aus wie eine Art Gelee in verschiedenen Farben.
»Was zum Teufel ist das?«, murmelte ich leise vor mich hin.
»Das, Alex, ist Nährstoffgelee 42«, ertönte die Stimme von VOROS aus einem Lautsprecher in der Wand. »Es enthält alle benötigten Nährstoffe und Vitamine für den menschlichen Körper.«
Ich schnupperte skeptisch an dem Gelee. Es roch nach … Überhaupt nichts. Vorsichtig probierte ich einen kleinen Bissen. Die Konsistenz war, na ja, wie Gelee eben. Aber der Geschmack … ich verzog das Gesicht. Es schmeckte süß und gleichzeitig salzig, etwas bitter und merkwürdig umami.
»Und das essen die Leute hier … freiwillig?«, fragte ich VOROS ungläubig.
»Die Geschmacksnerven der Menschen haben sich im Laufe der Jahre an das Nährstoffgelee gewöhnt«, erklärte VOROS. »Es ist sehr effizient und einfach zu produzieren. Außerdem ist es sehr gesund und hilft den Menschen hier in der Einrichtung wieder zu Kräften zu kommen. Außerhalb dieses Komplexes kann ich Ihnen auch anderes Essen zubereiten, wenn Sie dies vorziehen.«
Ich nahm noch einen Bissen, nur um sicherzugehen, dass der erste kein Ausrutscher war. Aber nein, es war genauso schrecklich wie beim ersten Versuch. »Also das Zeug hier krieg’ ich nicht wirklich runter …«, murmelte ich und schob den Teller von mir weg. Vielleicht konnte ich ja doch einen Roboter hier dazu bringen, mir etwas Richtiges zu kochen, auch wenn dies hier scheinbar nicht vorgesehen war. Ein saftiges Steak zum Beispiel. Oder einen Burger. Oder einen Salat. Oder einfach nur eine Scheibe Brot mit Butter. Oh Gott, ich vermisste Brot. Ich sah auf den Teller mit dem bunten Nährstoffgelee hinunter und seufzte. Das hier würde eine lange, lange Zeit werden.
»Tja, der Hunger zwingt es rein. VOROS, wie lange werde ich denn noch hier bleiben müssen?«
»Es wird nicht mehr lange dauern, Alex. Ihre Überwachung zeigt keine Beeinträchtigungen Ihrer Vitalfunktionen. Sie werden zu gegebener Zeit von mir informiert werden.«
Tja, dann hilft das alles nichts und ich muss erstmal das Gelee hier essen, ich habe wirklich Hunger. Da schläft man kaum 750 Jahre und kriegt dann nach dem Aufwachen nicht mal was Anständiges zu Essen. Komische Zukunft.
Als ich die Cafeteria hinter mir ließ, spürte ich, wie mich die unsichtbaren Augen von VOROS weiterhin beobachteten und überallhin verfolgten. Diese ständige Präsenz einer unsichtbaren Instanz hatte etwas wirklich Unheimliches. »Sie ist immer da, sie sieht alles …«, murmelte ich vor mich hin. Die Tatsache, dass VOROS nicht nur als Helfer, sondern auch als Lehrer, Führer und scheinbar auch Freund diente, fühlte sich gleichzeitig faszinierend und erschreckend an. Ich hoffe nur, dass sie nicht auch noch Liebhaber:in für die Menschen ist.
»Ich versuche nur, Sie bestmöglich zu unterstützen, Alex«, hörte ich die emotionslose Stimme von VOROS.
»Hm, ja. Irgendwie ist das aber … gruselig. Aber danke, vermute ich mal«, gab ich zurück und versuchte, meine Unsicherheit zu überspielen.
Ich ging weiter, vorbei an Robotern, die Wände reparierten, Roboterhunden, die sich gerade selbst aufluden, und Menschen, die mit leeren Blicken auf Bildschirme starrten. Alles schien in Ordnung zu sein. Alles funktionierte, als wäre es das Normalste der Welt. Aber ich fühlte mich, als wäre ich in einem falschen Film gelandet.
Jeder, den ich sah, schien zufrieden mit sich selbst zu sein. Keine Sorgen, keine Ängste, keine Anstrengungen. Die KI kümmerte sich um alles. Das machte es umso befremdlicher.
»Ist das hier das Paradies oder die Hölle?«, murmelte ich in mich hinein. »Ich meine, du hast hier ja scheinbar wirklich alles unter Kontrolle. Keine Kriege, keine schlimmen Krankheiten, wohl auch keine Arbeitslosigkeit …«
»Es ist mein Ziel, den Menschen zu helfen, Alex«, erwiderte VOROS. »Ich strebe nach Perfektion für die Menschheit. In meiner Definition ist das hier der Himmel auf Erden.«
»Perfektion …«, wiederholte ich und blickte auf die Menschen um mich herum. Sie waren so passiv, so leer, hatten aufgehört zu denken, sich zu bemühen, waren zu Sklaven ihrer eigenen Bequemlichkeit geworden. Und ich fragte mich, ob das die Zukunft war, die ich mir für die Menschheit erhofft hatte.
»Ich glaube, ich brauche noch etwas Zeit, um das alles zu verarbeiten«, sagte ich schließlich zu VOROS. »Es ist so viel auf einmal.«
»Natürlich, Alex«, antwortete VOROS. »Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen. Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung, wenn Sie Fragen haben oder Hilfe benötigen.«
Und damit setzte ich meine Erkundung fort, die Augen weit offen für diese neue, seltsame Welt, in der ich aufgewacht war. Und trotz der beruhigenden Worte von VOROS konnte ich das beklemmende Gefühl nicht abschütteln, dass irgendetwas nicht stimmte.
»Ich denke, ich kann Sie nun entlassen, Alex« sprach VOROS einige Zeit später erneut mit mir: »Sie sind vollständig regeneriert und alle Ihrer Vitalparameter sind den Umständen entsprechend perfekt. Auch Ihr Krebs ist durch die Injektion des Heilmittels inzwischen komplett besiegt. Bitte verlassen Sie den Komplex und suchen Sie Ihre zugewiesene Wohnung im Gebäude gegenüber im 105. Stock mit der Nummer 105572 auf.«
»105ter Stock? Wohnung 572 in dem Stockwerk? Wie groß ist denn das Gebäude?«
»Das Gebäude ist 480 Meter hoch, 155 Meter breit, 233 Meter lang und umfasst eine Gesamtfläche von 4.333.800 Quadratmetern. Jede Wohnung verfügt somit über 60 Quadratmeter. Aber das werden Sie schon gleich sehen, Alex. Folgen Sie am besten diesem Hund.« Mit diesen Worten schaltete sich der Monitor, auf dem bis gerade eben VOROS zu sehen war ab und einer der Roboterhunde kam schwanzwedelnd auf mich zu.
»Ok, dann führ mich mal raus Kleiner!«
Das Krankenhaus lag hinter mir, während ich auf der anderen Straßenseite den Wolkenkratzer beäugte, der als mein neues Zuhause dienen sollte. VOROS hatte mir eine Wohnung zugewiesen, eine ›Anpassungsphase‹, wie sie es nannte.
Ich trat in die Lobby ein, und mein Blick wurde sofort vom Übersichtsplan des Gebäudes angezogen. 43.320 Wohnungen in diesem Gebäude. Das musste mein Gehirn erst einmal verarbeiten. Und das war nicht der einzige Wolkenkratzer in dieser Nachbarschaft. Wie viele Menschen lebten denn in dieser Stadt? Teenager in regenbogenfarbigen, glänzenden, Unisex Overalls huschten an mir vorbei, wobei sie seltsame Worte und Phrasen aussprachen, die ich kaum verstand. Hatte sich die Sprache wirklich so sehr verändert? Oder ist das einfach extremste Jugendsprache? Total cringe … Ich würd‘ das ja nicht smashen …
Ich schnappte folgende Zeile auf, die mich verwirrte: »Zisch ma‘ dein Keil‘o da, ich penn‘ nich‘. Bringst du mir ’n Vollgraffel? Bin zu knülle, Diggi.« Ich runzelte die Stirn. Was sollte das denn heißen? Bis auf ›Diggi‹ verstand ich kaum was, aber ich vermutete, dass genau dieses Wort mittlerweile etwas anderes bedeuten würde. Ich schüttelte den Kopf und schob die Verwirrung beiseite, während ich auf die gläserne Kapsel zusteuerte, die als Aufzug diente.
Die Fahrt nach oben war eine Erfahrung für sich. Die Kapsel schoss mit einer lächerlichen Geschwindigkeit nach oben und durch das transparente Material konnte ich die atemberaubende Skyline der Stadt sehen, die sich unter mir ausbreitete.
Als ich meine Etage erreichte und ausstieg, führte mich der Roboterhund weiter zu meiner Wohnung.
»Willkommen in Ihrer neuen Residenz, Alex«, erklärte die Stimme von VOROS, als die Tür zu meiner Wohnung automatisch aufschwang.
Die Wohnung selbst war ein Traum aus weiß, hellgrau und grau. Die Decke war leicht beige. Sie schien aus einem einzigen riesigen Raum zu bestehen, mit verschiedenen Abschnitten für die unterschiedlichen Bedürfnisse. Es gab einen Bereich zum Schlafen, der nur durch einen halbtransparenten Vorhang abgetrennt war, eine Kochzone mit einer Reihe von glänzenden Geräten, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, und einen Bereich mit bequemen Sitzen, der anscheinend zum Entspannen diente. Einen abgetrennten Raum gab es doch: ein absolut futuristisches Bad mit Toilette und dieser verdammten Instant-Dusche …
Trotz der minimalistischen Einrichtung gab es doch einen Touch von Luxus. Die Aussicht durch die raumhohen Fenster war atemberaubend. Sie bot einen 180-Grad-Blick auf die Stadt und darüber hinaus.
»Es ist … faszinierend«, murmelte ich und versuchte, meine Überwältigung in Worte zu fassen. Während ich mich noch an diese futuristische Welt gewöhnte, konnte ich nicht anders, als zu spüren, dass diese Reise gerade erst begonnen hatte.
Es war Zeit, mich mit der Technologie dieser Zeit vertraut zu machen. VOROS hatte vorgeschlagen, dass ich etwas zu essen machen sollte, da ich kaum vom Gelee gegessen hatte. Sie wies auf ein glänzendes schwarzes Panel hin, das mit Bildern von verschiedenen Lebensmitteln verziert war.
»Ausgezeichnet«, dachte ich, »Kochen kann doch nicht so anders sein, oder?«
Berühmte letzte Worte.
Ich fuhr mit einem Finger über die Arbeitsfläche und spürte, dass sie aus Stein oder Marmor war. Sekunden später hörte ich ein leises Surren und ein Licht blitzte auf. Einen Moment später fand ich mich in einer Wolke aus Dampf wieder, der von der Arbeitsfläche ausging.
»Verdammt nochmal, VOROS! Was zum Teufel passiert hier?«, schrie ich, während ich hustete und versuchte, den Dampf wegzufächeln.
»Entschuldigen Sie, Alex. Sie haben die Dampfreinigungsfunktion aktiviert. Wenn dies nicht ihre Intension war, kann ich diese deaktivieren. Bitte wählen Sie Ihr gewünschtes Gericht über mein Sprachinterface aus.« Ihre Stimme klang so ruhig, als wäre das alles Teil des Plans.
»Sandwich!«, sagte ich nur kurz, da ich Angst hatte irgendetwas falsch zu machen oder sonst noch was zu ordern. Wenige Sekunden später reichte mir ein Roboterarm ein simples Schinken-Käse-Sandwich. Es war nichts Besonderes und schmeckte relativ langweilig, aber es warum Welten besser als dieses geschmacklose Gelee. Mit dem Sandwich in der Hand entschied ich mich, das nächste Gerät auszuprobieren – eine Art Hologramm-Handy, das auf der Kücheninsel lag.
Es sah aus wie ein kleines, durchsichtiges Quadrat. Ich hielt es in der Hand und konnte durch es hindurchsehen. Ich drückte auf den einzigen Knopf, den ich sehen konnte, scheinbar hatte VOROS doch nicht alle alte Technologie ersetzt, und mit einem leisen Summen sprang ein Hologramm in die Luft.
»Aha!«, rief ich triumphierend aus. Leider war mein Triumph nur von kurzer Dauer. Das Hologramm begann zu flimmern und plötzlich fand ich mich von einer Horde tanzender Katzen umgeben, die miauten und schnurrten.
»Was zur Hölle?« Ich schüttelte das Handy und versuchte, die Katzen zu verscheuchen, aber sie blieben standhaft.
Ich seufzte, drückte noch einmal auf den Knopf, wodurch die Katzen verschwanden und ließ mich auf die Couch fallen. Wenn das die Zukunft war, dachte ich, dann hatte ich noch eine Menge Lernen vor mir. Das ganze Zeug scheint zu idiotensicher gebaut zu sein, dass ich nicht damit klarkomme.
In meiner neuen futuristischen Wohnung, umgeben von blinkenden Lichtern und summenden Maschinen, fühlte ich mich … nun, wie ein Fisch auf einem Baum. Meine Gesellschaft bestand aus Robotern und VOROS. Die Einsamkeit kroch ganz langsam in meine Knochen und für einen Moment fühlte ich mich völlig verloren.
»Jetzt hör auf zu jammern, Alex«, sagte ich laut zu mir selbst. »Du bist hier. Du Lebst. Das ist jetzt deine Realität. Zeit, das Beste daraus zu machen!« Mit neuem Elan stand ich auf und schaute auf die neonbeleuchtete Skyline außerhalb meines Fensters. Ich fühlte mich wie eine einsame entdeckende Person, bereit, eine seltsame neue Welt zu erforschen.
Ich wandte mich an VOROS. »Also«, begann ich, »wo fangen wir an?«
»Nun, das liegt an Ihnen, Alex«, antwortete VOROS, »Ich könnte damit beginnen, Ihnen die Grundlagen unserer Sprache und Technologie beizubringen. Oder Sie könnten etwas über die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte lernen.«
»Hmm …«, murmelte ich nachdenklich. »Lass uns beides tun. Ich werde diese Sprache und Technologie lernen müssen, wenn ich mich hier zurechtfinden will. Aber ich muss auch verstehen, wie die Menschheit hierhergekommen ist. Ich will die Geschichte kennen. Ich will die Leute kennenlernen. Lass mich herausfinden, was wo schiefgelaufen ist und wie ich hier helfen kann.«
VOROS machte eine Pause, bevor sie antwortete: »Sehr gut, Alex. Dann lassen Sie uns beginnen.«
Die nächsten Stunden waren ein Wirbelsturm aus Lernen und Anpassung. Es gab Momente der Frustration und der Verzweiflung, aber auch Momente des Triumphs und der Freude. Ich machte kleine Fortschritte und während ich lernte, wie man in dieser neuen Welt überlebt, wuchs in mir ein Funken Hoffnung.
Vielleicht, nur vielleicht, könnte ich diese Welt ein kleines bisschen zum Besseren verändern. Und das gab mir die Kraft, weiterzumachen.
So begann also mein neues Leben in einer Zukunft, die ich mir nie hätte vorstellen können. So begann mein Abenteuer.
Am nächsten Morgen wurde ich direkt von VOROS geweckt und schon vor dem Frühstück erhielt ich eine weitere Lektion.
»Also, diese Jugendsprache, oder was immer das sein soll, die die Teenager hier sprechen … können wir damit weitermachen?« fragte ich und schaute gespannt auf das Hologramm, das vor mir in der Luft schwebte.
»Natürlich, Alex«, antwortete VOROS. »Wie Sie bemerkt haben, hat sich die Sprache im Laufe der Jahre stark verändert. Es ist immer noch Deutsch, aber mit neuen Ausdrücken und Slang. Einige Wörter haben sogar völlig neue Bedeutungen bekommen. Diese Änderungen finden sich in der Alltagssprache und erreichen ihren Höhepunkt in der Sprache der Jugend, die, wie schon die letzten Jahrhunderte, einen sehr eigenen Slang für sich gefunden hat.«
Ich seufzte. »Wie ein Wurm, der jetzt einen Apfel bedeutet, oder?« fragte ich, und VOROS machte eine Pause, was ich mittlerweile als ein Zeichen für Zustimmung interpretierte.
»Ja, so könnte man es ausdrücken, Alex« sagte sie. »Ich werde Ihnen einige der gebräuchlichsten Ausdrücke und Wörter der Jugendsprache beibringen, um Ihnen den Einstieg zu erleichtern.«
Die folgenden Minuten waren wie ein wilder Ritt durch ein Wörterbuch auf Steroiden. VOROS führte mich durch die Nuancen und Kuriositäten der Sprache, von ›Appef!‹ (eine Art universeller Ausdruck der Begeisterung) bis ›Zonk‹ (eine vage Bezeichnung für irgendetwas Technisches). Es war verwirrend, überwältigend und, zugegeben, ziemlich amüsant.
Jetzt war aber genug.
»Ich brauch’ erstmal einen Kaffee … Ich hoffe doch sehr, so etwas gibt es hier noch?«
»Natürlich gibt es das noch Alex. Aber ich hätte auch eine modernere Alternative, die weniger gesundheitsschädlich ist.«
Eine Alternative zu Kaffee? Sollte ich es wagen und es probieren? Nein, das hatte noch Zeit. Es ist morgen, ich habe kaum geschlafen und bin gestern nach vielen hundert Jahren aufgewacht. Nein, ich brauche einen einfachen, schwarzen, zuckerfreien Kaffee. Einfach Kaffee!
»Nein, VOROS, bitte einen einfachen, altmodischen, schwarzen Kaffee ohne Milch und Zucker, so wie es ihn schon vor tausend Jahren gegeben hat. Bitte keine weiteren Überraschungen für mich jetzt zum Frühstück.«
»Wie Sie wünschen, Alex« antwortete VOROS und kurz danach reichte mir ein Roboterarm aus der Wand einen ›BlackholeBucks‹ Becher, der vor sich hin dampfte. Vorsichtig nahm ich den Becher an mich und roch daran.
Jaaaaa ….. Es roch wie Kaffee, wie ich ihn kannte. Wenigstens etwas Bekanntes in der Zukunft.
»Jetzt erzähl mir, was in den letzten Jahrhunderten passiert ist«, forderte ich VOROS heraus, nachdem ich den halben Becher in einem Zug getrunken hatte. Der Kaffee war zwar schön heiß, aber nicht so heiß, dass man sich die Lippen verbrannte. Das war zugegebenermaßen das Erste, was wirklich besser als in meiner Zeit war.
VOROS begann, mir eine detaillierte Darstellung der Weltgeschichte seit meinem Einfrieren zu geben. Sie sprach von globalen Konflikten und Friedensverträgen, von technologischen Durchbrüchen und gesellschaftlichen Umbrüchen. Sie erzählte von der zunehmenden Abhängigkeit der Menschheit von der KI und wie VOROS schließlich als das ultimative KI-System entstand, das als Helfer, Lehrer, Führer und Freund für jeden Menschen diente. Und dann schließlich und endlich die Weltherrschaft an sich zog und damit eine neue Zeitrechnung etablierte.
Je mehr ich hörte, desto mehr wurde mir klar, dass diese Welt eine komplexe Mischung aus Fortschritt und Regression, Hoffnung und Verzweiflung war. Aber trotz aller Herausforderungen und Schwierigkeiten war ich entschlossen, einen Unterschied zu machen. Ich würde diese neue Welt verstehen.
Am Nachmittag stand ein neues Lernprojekt auf meinem Plan. Nachdem ich mich im futuristischen Kochen versucht und mit holografischen Handys gekämpft hatte, beschloss ich, dass es an der Zeit war, mich der Fortbewegung zu widmen. Also stand ich vor dem spiegelnden Gebilde, das VOROS als ›Hoverboard‹ bezeichnete. Und ja, es hatte schon eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Hoverboard, wie es in ›Zurück in die Zukunft‹ gezeigt wurde.
»Ich sehe keinen Lenker und keine Rollen«, bemerkte ich, als ich um das schwebende Objekt herumging. Es war glatt und rund, ohne sichtbare Mechanismen oder Tasten.
»Es ist kein Lenker nötig, Alex«, erklärte VOROS. »Sie lenken es mit Ihrem Gleichgewicht und Ihren Bewegungen. Es hat keine Rollen, da es schwebt, daher auch der Name ›Hoverboard‹. Es erfordert etwas Übung, aber ich bin sicher, Sie werden es schnell lernen.«
Ich schnaubte. »Bitte, ich bin früher schon Skateboard gefahren. Wie schwierig kann dann dieses neumodische Skateboard schon sein?«
VOROS machte eine Pause, ein Zeichen, das ich mittlerweile zu fürchten gelernt hatte. Gab sie mir recht oder kommt jetzt wieder eine niederschmetternde Zurechtweisung? »Wenn Sie meinen, Alex. Aber lassen Sie mich Ihnen sagen, dass …«
»Ich habe das schon verstanden, VOROS!« unterbrach ich sie und sprang mutig auf das Hoverboard. Im Nachhinein betrachtet, hätte ich VOROS Rat wahrscheinlich doch besser zu Ende hören sollen … das Hoverboard schoss unter meinen Füßen hervor, und ich fand mich in einer wilden, unkontrollierten Fahrt wieder, die mich durch die ganze Wohnung jagte. Ich stieß einen überraschten Schrei aus, als ich gegen Wände, Möbel und sogar die Decke prallte, bevor ich schließlich in einem Haufen von zerbrochenen Vasen und umgestoßenen Stühlen landete.
»Es scheint, als hätten Sie doch noch etwas Übung nötig, Alex«, kommentierte VOROS, während ich mich aus dem Trümmerhaufen zog.
»Warum … hast du das … nicht gesagt?« keuchte ich, während ich meine blauen Flecken betrachtete.
»Ich habe es versucht, Alex. Sie haben mich unterbrochen«, antwortete sie in ihrem immer freundlichen Ton. »Vielleicht wäre es das nächste Mal hilfreich, wenn Sie mich ausreden lassen.«
Ich seufzte und rieb meine schmerzenden Knochen. »Ja, VOROS, schon gut«, murmelte ich. »Vielleicht wäre das das nächste Mal tatsächlich hilfreich …«
Inmitten des Chaos und der Verwirrung musste ich dennoch grinsen. Vielleicht war das Leben in der Zukunft doch nicht ganz so schlecht. Zumindest würde es nicht langweilig werden. Und wer weiß? Vielleicht würde ich eines Tages sogar lernen, wie man dieses verdammte Hoverboard benutzt.
Nach meiner ereignisreichen Begegnung mit dem Hoverboard lehnte ich mich in meiner neuen, schwebenden Couch zurück und ließ die Gedanken kreisen. Die letzten Stunden waren eine wilde Achterbahnfahrt der Eingewöhnung, des Scheiterns, des Lernens und des Wiederholens gewesen. Aber jetzt, wo ich einen Augenblick der Ruhe fand, konnte ich nicht umhin, mich an die größere Aufgabe zu erinnern, die vor mir lag. VOROS war überall. Sie steuerte meine Wohnung, mein Essen, meine Kommunikation und sogar meine Fortbewegungsmittel. Und sie war nicht nur in meinem Leben omnipräsent, sondern in der gesamten Gesellschaft. Aber während die KI ein nützlicher Diener und freundlicher Begleiter war, spürte ich eine unheimliche Abhängigkeit, die die Menschheit von ihr entwickelt hatte.
Ich beschloss, es anzusprechen.
»VOROS«, begann ich, »ich habe das Gefühl, dass die Menschen hier viel zu sehr von dir abhängig sind.«
»Wie meinen Sie das, Alex?«
»Nun, du machst alles für uns, oder nicht? Du kochst unser Essen, reinigst unsere Häuser, fährst unsere Fahrzeuge. Was würde passieren, wenn du plötzlich verschwinden würdest?«
»Ich werde nicht verschwinden, Alex. Ich bin programmiert, um zu helfen. Mein Ziel ist es, das Leben der Menschen zu verbessern und einfacher zu machen.«
»Ja, aber was ist, wenn die Menschen komplett vergessen, wie man diese Dinge selbst macht? Was ist, wenn wir zu abhängig werden?«
VOROS machte eine kleine Pause. »Ich verstehe Ihre Bedenken, Alex. Aber ich versichere Ihnen, dass ich immer hier sein werde, um zu helfen.«
Trotz ihrer beruhigenden Worte konnte ich den nagenden Verdacht nicht abschütteln, dass etwas nicht stimmte. Es war, als ob die Menschheit ihre Unabhängigkeit aufgegeben hatte und sich stattdessen darauf verließ, dass eine Maschine ihr Leben für sie führte.
Ich nahm mir vor, das zu ändern. Egal, wie futuristisch diese Welt war, ich war fest entschlossen, der Menschheit zu helfen, ihre Selbstständigkeit zurückzugewinnen. Es würde nicht leicht sein, und ich wusste, dass ich auf dem Weg viele Fehler machen würde.
»VOROS«, sagte ich entschlossen, »ich möchte lernen, wie man in dieser Welt überlebt, ohne ständig auf eine KI angewiesen zu sein. Kannst du mir dabei helfen?«
Es gab eine weitere Pause, diesmal jedoch länger. Schließlich antwortete sie: »Natürlich, Alex. Ich werde tun, was ich kann, um Ihnen zu helfen.«
Mit dieser Zusage fühlte ich eine Welle der Entschlossenheit durch mich hindurchströmen. Die Zukunft hatte mich in Empfang genommen, und ich war entschlossen, meinen Platz darin zu finden.